Bergmar Daghov hat geschrieben:Vielen Dank für Deinen wirklich interessanten Bericht. Ich habe bisher ja "nur" Life is Strange gespielt.
Oh, mir war so, dass du die anderen Teile auch bereits kennst. Dann muss ich mich etwas zurückhalten bei der Handlung.
Falls du die anderen Teile noch spielst, bitte Finger weg von den "Remaster"-Versionen. Die sollen systemübergreifend verbuggt sein. Der letzte Patch erschien letztes Jahr, aber nicht für die abbrechenden Dialoge oder fehlenden Untertitel. Die werden also wohl so bleiben... Dann greif lieber zur ursprünglichen Version, wenn es die noch geben sollte. Wie gesagt: In der "Deluxe Edition" ist neben einem Soundtrack auch dann der Prolog "Lebewohl" mit dabei.
Ich spiele die Reihe jetzt am Stück durch. Danach kannst du mich wahrscheinlich irgendwo einweisen lassen...
Gestern über den Tag verteilt habe ich
Life is Strange - Before the Storm durchgespielt. Leider hat die PS4 keine Spielzeitanzeige. Ich empfand es jedenfalls als recht kurz.
Handlungstechnisch knüpft es einige Monate nach dem Prolog "Lebewohl" an und endet wahrscheinlich einige Monate vor "Life is Strange". Die Handlung erzählt hauptsächlich, wie sich Chloe und ihre neue Freundin Rachel kennenlernten, die das Loch füllen wird, das der Umzug von Max und die Ereignisse in ihrer Familie hinterlassen haben. Die gewählte Handlungsperiode ist aber auch der Grund, wieso ich das Spiel nicht ganz so intensiv erlebt habe. Es ist schon spannend zu erleben, wie Chloe nicht nur ihrer Mutter, sondern auch mir als Spieler mehr und mehr durch die Finger gleitet. Wie oft versuche ich sie mit Entscheidungen, die die alte Chloe getroffen hätte, noch zu retten. Und irgendwie steckt sie da auch noch - die 1er-Schülerin, die sich von Drogen fernhält, die immer für andere da ist und eine schönes Leben führt. Das gerät immer mehr in Schieflage und man kann es nicht anhalten - das wühlt einen doch irgendwie auf.
Trotzdem hat die Handlung das Problem, dass das Spiel die Kennenlernphase von Chloe und Rachel beschreibt. In "Life is Strange" wird die Beziehung als unglaublich intensiv beschrieben. Der Grund dafür fehlt mir aber in "Before the Storm" irgendwie. Die Haupthandlung beschäftigt sich nämlich viel zu sehr mit einer allgemeinen Geschichte Rachels, bei der Chloe ihr hilft. Der Freundschafts-Punkt kommt mir da zu kurz. Nach ein paar Tagen sind es bereits die besten Freunde und ich habe nicht verstanden, weswegen, außer dass sie sich gegenseitig brauchen, um über ihre jeweils eigenen Probleme wegzukommen. Für mich eine Nutzbeziehung als eine wahre Freundschaft. Die wurde dann vielleicht noch daraus, aber das wird in dieser Form nur im Abspann transportiert. Auch eine mögliche, lesbische Beziehung wird nie so richtig eingeführt.
Problematisch ist auch, dass sehr viele Chraktere auftauchen, die auch in "Life is Strange" auftauchen. Dadurch gibt es in diesem Spiel nicht die typischen Wendungen. Vielleicht wäre mein Empfinden ein anderes, wenn ich LiS nicht kennen würde, aber so weiß man halt, welchem Charakter hier nichts passieren wird und man weiß, wie sie sich entwickeln.
Daher sind Entscheidungen, die man das Spiel über trifft, eigentlich fast alle marginal. Die Handlung ist dieses Mal sehr viel linearer, weil eben viele Ereignisse absolut fix sind.
Genervt hat mich ein neues Spielsystem, in dem man Wortduelle führen muss. Häufig braucht es dabei nur einen Fehler und der Gegner hat gewonnen. Man selbst muss den immer passenden Dialog aus meist 3 Optionen wählen, um einen Schritt weiterzukommen. Wenn man verliert, geht die Geschichte trotzdem weiter, aber natürlich nicht immer ganz auf der Ideallinie. Auch ertappe ich mich dabei, wie mich diese Duelle derart nerven, dass ich nicht immer in der Rolle meines Charakters bleibe. Manchmal würde ich gerne thematisch Widerworte geben, aber vermeide es dann, um einfach nicht das Duell spielen zu müssen.
Ansonsten ist Vieles beim altbekannten Schema: Ich kann einige Hotspots untersuchen, lese Tagebucheinträge, Dokumente, E-Mails oder Zettel, habe oft die Möglichkeit, mich hinzusetzen und den Gedanken meines Charakters Chloe zu lauschen, führe viele Dialoge und erlebe eine schwungvoll erzählte Handlung. Der rote Faden fehlt aber dieses Mal einfach irgendwie. Oft werden ein paar Nebenhandlungen angekratzt, die dann aber zu schnell wieder fallen gelassen werden. Eigentlich lerne ich erst gegen Beginn von Kapitel 3, warum die Musterschülerin Rachel Amber ausgerechnet mit mir, der Außenseiterin, abhängen möchte.
Technisch ist es etwas unausgereifter. Grafisch ist das alles der absolute Hammer! Es gibt so manche Nahaufnahme (z.B. einer Autobatterie), da frage ich mich plötzlich, ob die wirklich nur animiert ist. Aber die Steuerung ist hier recht hakelig. Ich muss oft eher mit der Kamera arbeiten und weniger mit der Bewegung des Charakters, wenn ich einen Hotspot wählen will. Auch nimmt der Charakter viel zu viel Raum im Bild ein. Ich sehe schlichtweg oft nicht, was ich da eigentlich anschaue, sondern erfahre das dann erst durch den Kommentar. Die Rennen-Funktion nutze ich so gut wie gar nicht, weil ich durch die träge Steuerung dann schon längst wo hängengeblieben bin und die Schauplätze ohnehin sehr klein sind. Trotzdem: groß genug, um darin genug Erkundung und Handlung zu bieten und vor allem wunderschön gestaltet!
Es sind solch kleine Details, wie ein Vogel in Nahaufnahme oder Eichhörnchen, die sich den Müll wühlen, die die Spielewelt so real erscheinen lassen.
Apropros real: Die Handlung versucht ein kleines Mystery-Element mit einzubinden, lässt es aber dann in Kapitel 2 wieder völlig fallen... Auch das ist etwas, weswegen ich dieses Mal nicht so richtig reinkam. Da werden zu viele Nebenhandlungen eingeführt, die einfach völlig unwichtig sind. Das wäre ja auch noch egal, wenn sie dann nicht einfach fallengelassen würden. Dass das Mystery-Element nie erklärt wird, stört mich sogar richtig. Vor allem hätte es das gar nicht gebraucht. Die hier aufkommende Katastrophe hätte auch ganz genauso ohne Mystery funktioniert.
Musikalisch gefällt mir das Spiel richtig gut! Das betrifft sowohl den Score, als auch den Soundtrack (also die rockigen Bands). Eigentlich ist Letzteres ja nicht so meins und ich lausche in der Freizeit lieber den sanften Instrumentalstücken, aber hier sind die Stücke so schön eingebunden, dass ich sie gerne in voller Länge höre und währenddessen die Kameraschwenks und Blickwinkel in den Schauplätzen genieße. Mit dem sehr ruhigen Erzähltempo und dem hohen Erkundungsfaktor macht das Spiel jedenfalls wieder alles absolut richtig. Außerdem habe ich auch nur dort die Möglichkeit, wirklich konzentriert die schön gestalteten Schauplätze zu bewundern, denn wie gesagt: Viel zu oft steht mit der Charakter zu sehr im Bild, als dass ich mich auf die vielen Details konzentrieren könnte.
Schön ist auch wieder, dass es keine Sackgassen oder Game Over gibt. Die Handlung hat natürlich wieder mal verschiedene Enden, aber alle sind sowohl negativ, als auch positiv (vorher kurz angelesen). Deswegen gibt es hier auch wieder kein echtes richtig oder falsch. Während des Spielens muss ich also nie Angst haben, dass ich was vollkommen falsch mache. Ich kann einfach in Ruhe und Frieden in die Welt eintauchen. Dennoch denke ich, dass ich ein etwas positiveres Ende erwischt habe. Das gilt als geheimes Ende, das auch nur durch eine Kombination von Ereignissen freizuspielen ist. Darunter ist auch das Zerkratzen eines Graffitos, das eigentlich gar keinen Sinn ergibt, dass ausgerechnet das das beste Ende auslöst... Ich bin froh, dass ich zumindest das nachgelesen hatte. Die übrigen Ereignisse, die auch wichtig waren, waren aber eher Zufall, bzw. von mir ohne Vorkenntnis beeinflusst. Man merkt recht schnell, worauf man zum Ende hin zusteuern möchte.
Insgesamt zählt "Before the Storm" für mich zu einem wichtigen Teil der Reihe und ich bin gespannt, wie ich "Life is Strange" erleben werde, jetzt, wo ich den Charakter Chloe besser nachvollziehen kann. Es fehlte trotzdem für mich am Ende das Gefühl des Nicht-einschlafen-Könnens und der Aufgewühltheit. "Before the Storm" zählt trotzdem zu den richtig guten Abenteuerspielen, von denen sich so manch ein Spiel gerne eine dicke Scheibe abschneiden dürfte.
Ich glaube aber, hätte ich die Remastered-Version gespielt, die ich hier auch angetestet hatte, dann hätte sie für mich das gesamte Spielerlebnis kaputt gemacht. Da wäre dann nix mehr gewesen mit unbeschwertem Eintauchen dank der vielen Bugs.